Heimweh

Im Jahr 1853 wurde die junge Luckowerin Louise Schröder straffällig, weil sie nicht Kindermädchen in Petershagen sein wollte. Ihr Plan war, das Haus ihres Arbeitgebers Wilke in Brand zu stecken, um wieder nach Hause zu können. Die Stettiner Zeitung hat davon berichtet:

„Am 7. des Monats befand sich vor der Abteilung für Strafsachen des hiesigen Kreisgerichts die zwölfjährige Louise Schröder aus Luckow, Tochter eines dortigen Arbeitsmannes, wegen vorsätzlicher Brandstiftung auf der Anklagebank. Ihr offenes und liebliches Gesicht, ihr reinlicher und geordneter Anzug und ihr zwar schüchternes aber durchaus angemessenes und sichtbare Reue verratendes Verhalten, ließ bald vermuten, dass hier eine moralische Verderbtheit nicht vorhanden war.

Dieselbe hatte bisher immer im elterlichen Hause zu Luckow zugebracht und wurde am 1. April von ihrer Mutter zu dem Büdner Wilke in Petershagen als Kindermädchen vermietet. Dort bekam sie bald das heftigste Heimweh; ihre wiederholten Bitten, den Dienst verlassen und nach Hause zurückkehren zu dürfen, wurden zurückgewiesen; sie entlief deshalb und zwar zunächst zu ihrer Mutter, die sie aber unter Schlägen wieder nach Petershagen zurückführte, alsdann zu ihrem Großvater, der sie jedoch mittels eines Stockes ebenfalls wieder zu ihrer Dienstherrschaft zurückjagte. Sie weinte deshalb fast beständig, konnte in der Wilkeschen Wohnung nirgends Ruhe finden und lief unstät und schluchzend im Dorfe umher. Da fiel ihr plötzlich ein, dass wenn das Haus, worin ihre Dienstherrschaft wohnte, abbrennte, dieselbe sich ein Kindermädchen nicht mehr halten, und sie alsdann zu ihren Eltern würde zurückkehren können.

Sie beschloss daher, dieses Haus in Brand zu stecken, nahm zu diesem Behufe am 7. April nachmittags während der Abwesenheit der Wilkeschen Eheleute eine glühende Kohle vom Herde und steckte dieselbe außerhalb in das niedrige Rohrdach des Wohnhauses.

Als hierauf ungeachtet des gerade stattfindenden Regens sehr bald starker Rauch und sogar eine Flamme aus dem Dache hervordrang, lief der gerade in der Nähe befindliche Schneider Meier schnell hinzu und suchte das Feuer auszugießen. Als ihm dies jedoch nicht sogleich gelang, trat die Angeklagte mit dem Wilkeschen Kinde auf dem Arme laut weinend hinzu und riet ihm, das bereits brennende Rohr vom Dache herabzureißen und dadurch das Feuer zu löschen. Der Schneider Meier tat dies, woran er, nach seiner eigenen Erklärung, in der Bestürzung selbst nicht gedacht hatte, sofort und der Brand wurde dadurch erstickt.

Dieser Tatbestand wurde durch das bald abgelegte Geständnis der Angeklagten und die eidlichen Aussagen der abgehörten Zeugen festgestellt, und nach der geistigen Entwicklung, welche die erstere in ihren Antworten offenbarte, konnte kein Zweifel darüber obwalten, dass sie die Tat mit Unterscheidungs-Vermögen begangen.

Das Gesetz bedroht die vorsätzliche Brandstiftung mit 10jähriger bis lebenswieriger Zuchthausstrafe, und die Angeklagte fing, als die Staatsanwaltschaft dies anführte, heftig zu zittern an und gewann erst einige Ruhe wieder, als sie hörte, dass bei jugendlichen Verbrechern unter 16 Jahren Gefängnisstrafe eintreten soll und der Richter bei dieser auch ermächtigt sei, unter das niedrigste Maß der gesetzlichen Strafe herabzugehen. Die Gerichts-Abteilung erkannte mit Rücksicht auf das erst zwölfjährige Alter der Angeschuldigten und weil das Motiv zur Tat nicht sowohl in einer Verderbtheit der Gesinnungen, als vielmehr in dem heftigsten Heimweh, mithin in einer fast krankhaften Gemütsaufregung wurzelte, mit Rücksicht ferner auf den sehr geringfügigen Schaden, welcher durch das Feuer entstanden und sich auf einige verbrannte Rohrschrauben beschränkte, und insbesondere in Betracht, dass die Angeklagte durch ihren von dem Schneider Meier sogleich befolgten Rat die sofortige Dämpfung des Feuers reuevoll selbst herbeigeführt und weiterem Schaden dadurch selbst vorgebeugt hatte, auf nur sechsmonatliches Gefängnis, und es war ein rührender Anblick, als nach Publikation dieses Urteils Mutter und Tochter sich weinend in die Arme fielen. (Redaktion der Zeitung – Rdd. Ztg.)“

(Stettiner Zeitung, Nr. 132, Freitag, den 10. Juni 1853)

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